Mit einem Mitglied des Vorstandes des Forums für Toleranz und Menschenrechte e. V., Detlef Wagner, besuchte ich ein anderes Flüchtlingsheim in Charlottenburg in der Soorstraße.
Wer glaubt, die Arbeit mit Flüchtlingen sei Männersache, sollte einmal die Personen kennen lernen, die das Flüchtlingsheim in der Soorstraße leiten
und betreuen. Sie alle sind Frauen außer einem Hausmeister.
Den Eingang findet man auf dem Hof hinter einem roten Gebäude. Das Haus, in dem die Flüchtlinge untergebracht sind, soll einmal ein Zollamt beherbergt haben. Einige Männer saßen im Hof des Hauses. Uns empfingen vier sehr nette Frauen. Wir saßen alle um einen kleinen Tisch, im Haus selbst wird der ganze Platz für die Flüchtlinge gebraucht. Ich fragte, ob es denn kein Gesprächszimmer im Haus gäbe. Ich erhielt den Bescheid, es habe bisher eins gegeben, aber jetzt wohnten auch in dem Zimmer Flüchtlinge.
Frau Murray ist die Heimleiterin. Im Heim wohnen 240 Flüchtlinge: 107 Männer und 51 Frauen, 77 Kinder (38 Mädchen, 42 Jungen).
Die größte Gruppe bilden Flüchtlinge aus Serbien mit 49 Personen. Aus Bosnien kommen 37 Personen, aus Syrien 30, aus dem Kosovo 21, aus Albanien 16, 10 Personen aus Vietnam, – insgesamt 240 Personen aus 21 Ländern. Neun Babys. 37 Kinder sind unter 7 Jahre alt. Die vier Frauen haben wirklich viel zu tun.
Zum Thema Beschulung berichtet Frau Murray:“ Es wohnen auch viele Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter im Haus. Der Bezirk versucht sein Bestes in diesem Bereich den wachsenden Herausforderungen gerecht zu werden. Teilweise kommt es zu ganz neuen Konflikten und Problemen im Schulalltag: Kinder sind von den Erlebnissen in der Heimat und auf der Flucht traumatisiert, das äußert sich dann in Aggressionsausbrüchen oder Distanziertheit. Schulpsychologen und Beratungsstellen sind überlastet. Es ist gut zu erfahren, dass der Handlungsbedarf in diesem Bereich erkannt wurde“
In der vorletzten Woche wurde vor dem Heim Feuer gelegt. Wer das getan hat, wissen die im Heim Tätigen nicht. In diesem Stadtteil sind sie noch auf keinerlei Feindseligkeit bei den Anwohnern getroffen. Es gibt ab und zu
Beschwerden - meist wegen eines zu hohen Lärmpegels im Haus und auf dem
Hof - aber die meisten Anwohner sind sehr verständnisvoll. Natürlich sind die
Heimbewohner den Ansässigen zuerst
fremd.
Man hat immer Bedenken fremden Personen gegenüber, aber wenn sie sehen, dass sie normale Menschen sind, helfen sie hier von sich aus mit.
Wir fragten Frau Murray, ob sie um sich und ihre Mitarbeiterinnen und die Heimbewohner Angst hätte. Sie antwortete: „Ja, ich habe auch Sorge um die Sicherheit. Daher bin ich froh, dass wir Schutzpersonal hier vor Ort haben.“
Die Mitarbeiter sind sehr zufrieden mit den Einwohnern in der Soorstraße und im Bezirk. Sie sind sehr hilfsbereit und bringen viele Spenden. Alles kann allerdings nicht angenommen werden, da die Kapazitäten zur Lagerung sehr begrenzt sind.
Fahrscheine für Ausflüge und Aktionen werden immer benötigt. Auch Übersetzer und Dolmetscher für Begleitung zu Ämtern und Ärzten, oder Übersetzung amtlicher Urkunden aus der Heimat. Frau Schüler, die im Haus tätige Sozialarbeiterin, sagt: „Es gibt viele Freiwillige aus der Umgebung, die uns bei der Arbeit helfen. Ohne sie könnten viele Angebote nicht stattfinden. Sie leisten Erhebliches.“
Wir machten einen Rundgang durch das Heim. Es war alles sauber, aber Wände und Böden müssen an vielen Stellen repariert werden. Die Bewohner können in diesem Heim selbst kochen. Das ist eine sehr große Erleichterung für die Bewohner hier. sie können selber kochen und bestimmen, was sie essen wollen.
Sie bieten den Bewohnern ein reiches Programm an Tätigkeiten an: Deutschkurse, Bastelkurse, Musikunterricht usw. Sie tun, was sie können, aber natürlich sind Ihre Möglichkeiten begrenzt.
Im Heim ist es trotz der doch Anzahl der Bewohner und den unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen harmonisch und ruhig. „ Es gibt auch mal Probleme und Unruhe zwischen den Bewohnern, aber wir versuchen fortlaufend eine familiäre Atmosphäre zu halten und eine damit einhergehende Rücksichtnahme und gegenseitige Hilfsbereitschaft.“ sagt Frau Murray „Wir lachen und weinen mit unseren Bewohnern, legen Herz und Seele in unsere tägliche Arbeit. Auf einen respektvollen Umgang legen wir großen Wert. Das alles reflektiert sich im Heimalltag.“
Ein Heimbewohner, der in Syrien Fotograf war, machte mit Detlefs Kamera einige Fotos von uns.
Wir verabschiedeten uns. Wir werden in den nächsten Wochen weitere Zuständige treffen, die den neuen Flüchtlinge helfen.
Mohammad Moshiri
Vorsitzender des Forums für Toleranz und Menschenrechte e.V.