FAZ
Freitag.10.Oktober2014. Nr. 235/41D3
Seite Politik
Neue Hürden für Atomgespräche
Oppositionsgruppe: Iran arbeitet weiter an Atomwaffen
löw./Her. WIEN/FRANKFURT, 9. Oktober. Eine Woche vor einem Treffen der Außenminister der Vereinigten Staaten und Irans in Wien hat eine iranische Oppositionsgruppe darauf hingewiesen, dass eine Organisation Teherans mit unveränderter Geschwindigkeit und Ausrichtung am iranischen Atomwaffenprogramm arbeite. Um die Aktivitäten der „Organisation für Verteidigungsinnovation und Verteidigungsforschung“ (SPND) und ihrer sieben Abteilungen zu verschleiern, sei diese an einen neuen Standort verlegt worden, sagten die oppositionellen Volksmudschahedin dieser Zeitung. Die Oppositionsgruppe hatte 2011 die Existenz der bis dahin geheimen SPND bekanntgemacht. Die Internationale Atomenergieagentur (IAEA) hat darauf im Anhang ihres Berichts vom 8. November 2011 die SPND auf sechs Seiten analysiert. Im vergangenen August haben die Vereinigten Staaten die SPND auf die Sanktionsliste gesetzt.
Nach Angaben der Volksmudschahedin wurde der Umzug der heiklen Bereiche der SPND, der im Oktober 2013 mit dem Beginn der Atomverhandlungen der P5+1 mit Iran eingeleitet wurde, im Juli abgeschlossen. Ihr neuer Standort befinde sich demnach in Teheran am Platz Nou-Bonyad gegenüber dem Krankenhaus Chamran. Damit die IAEA-Inspekteure keinen Verdacht schöpften, befänden sich die nicht-heiklen Bereiche weiter an ihrem alten Standort. Die Volksmudschahedin berufen sich auf Quellen innerhalb des Regimes, etwa in der Atomenergiebehörde, der SPND, dem Verteidigungsministerium und bei den Revolutionswächtern. Die Informationen seien in dem Zeitraum von Januar bis Juli 2014 zusammengetragen worden.
An der Spitze der SPND stehe weiter ein General der Revolutionswächter, Mohsen Fakhrizadeh, Die amerikanische Sanktionsliste führt ihn seit 2008. Er habe in den vergangenen Jahren mit seinen Söhnen „private“ Unternehmen gegründet, in die einzelne Aktivitäten der SPND ausgelagert würden, um so die Mutterorganisation besser zu schützen. Da das Regime versuche, die Spuren von Fakhrizadeh zu verwischen, habe er sein Büro weder in den neuen noch in den alten Anlagen der SPND. Auch nehme er seit Juli 2013 nicht mehr an den regelmäßigen Treffen des Sanktionsausschusses teil, der 2006 im Amt des Staatspräsidenten mit dem Ziel eingerichtet worden war, die Sanktionen zu umgehen. Der Ausschuss soll unter anderem sicherstellen, dass die SPND die gewünschten Ausrüstungen beziehen kann.
Die IAEA teilte auf Anfrage mit, sie nehme zu derartigen Berichten nicht Stellung. In den Gesprächen der P5+1 (die ständigen UN-Sicherheitsratsmitglieder sowie Deutschland) mit Iran, die bis zum 24. November 2014 abgeschlossen werden sollen, hat sich Iran zu Transparenz und einem ungehinderten Zugang der IAEA zu seinen Atomanlagen verpflichtet. Iran hat bisher erst zu einem der 12 kritischen Punkte Auskunft gegeben, die der Anhang des IAEA-Berichts zu den „Möglichen militärischen Dimensionen des iranischen Atomprogramms“ vom November 2011 aufführt. Diese Hinhaltetaktik war, wie es am Sitz der Agentur in Wien hieß, auch ein Thema in den Gesprächen des stellvertretenden IAEA-Generaldirektors Tero Varjoranta am Dienstag und Mittwoch in Teheran. Iran habe dabei keine neuen Maßnahmen vorgeschlagen, um die Richtigkeit seiner Aussagen zu bestätigen, teilte die Agentur mit. Man habe sich darauf verständigt, sich zu einem noch festzulegenden Termin wieder zu treffen.
In Wien wollen nächste Woche der amerikanische Außenminister John Kerry, der iranische Außenminister Dschawad Zarif und die noch amtierende EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton über eine Lösung des Atomstreits verhandeln. Es ist der zweite Versuch, die festgefahrenen Gespräche wieder in Gang zu bringen, seit die Frist am 20. Juli noch einmal bis zum 24. November verlängert worden ist. Dieses Treffen soll nicht in dem Sechserformat stattfinden, in das auch Russland und Chinas eingebunden wären.