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24.12.2013

http://www.nwzonline.de/politik/niedersachsen/freiheitskampf-aus-der-ferne_a_11,5,390148340.html


Exil

Freiheitskampf aus der Ferne

Wie sich eine Physiotherapeutin aus Varel für politische Veränderungen im Iran engagiert

Seit 28 Jahren war Farideh Bahmani nicht mehr in ihrer Heimat Iran. Zurzeit demonstriert sie regelmäßig in Berlin.

Karsten Krogmann

Protest in Berlin: Farideh Bahmani aus Varel demonstriert auf dem Pariser Platz.

 Bild: Karsten Krogmann

 

Varel/Berlin Am liebsten kommt das Heimweh nachts. Es weckt sie auf, es rüttelt an ihr, es stößt sie aus dem Bett und weiter durchs dunkle Haus zum Computer: Nun guck’ schon nach, befiehlt ihr das Heimweh, wie es zu Hause ist! Sie surft dann durchs Internet zurück in den Iran, sie denkt an die Berge und die Wüste und die Sonnenuntergänge dort, die sie seit 28 Jahren nicht gesehen hat. Was sie findet, sind Schlagzeilen, sie schreien „Verhaftung!“, „Hinrichtung!“ und „Tod!“

Neulich fand sie dieses Video, es schrie „Massaker!“. „Ich habe so geweint“, sagt Farideh Bahmani in ihrem Haus in Varel (Landkreis Friesland).

Dieses Video: Da schleichen Männer durch das Morgengrauen

فريده. , sie tragen Waffen. Die Bilder zittern, Schüsse fallen, Menschen schreien. Die Bilder beruhigen sich wieder, jetzt zeigen sie Menschen in Blutlachen, viele von ihnen haben die Hände mit Kabelbindern auf den Rücken gefesselt.

Später zählen Mitarbeiter der UN-Mission Unami 52 Tote. Es sind Iraner, die im benachbarten Irak im Lager „Camp Ashraf“ Zuflucht gesucht hatten. Die Volksmudschaheddin (MEK), die verbotene iranische Opposition, hatte Camp Ashraf in den 80er-Jahren eingerichtet, es liegt rund 120 Kilometer von der Grenze zum Iran entfernt. Am 1. September 2013 endete die Geschichte des Lagers.

52 Leichen

Dieses Video. In einem persischen Restaurant in Berlin-Charlottenburg, die Scheiben sind wie immer beschlagen, tippt Mohammad Moshiri, 55 Jahre alt, auf seinen Laptop. „Das war ein guter Freund von mir“, er berührt sanft den Bildschirm, „den Mann hier kannte ich auch“, zärtlich streicht sein Finger weiter zum nächsten Leichnam. Moshiri vergisst, seinen Dugh aufzutrinken, das traditionelle Joghurtgetränk.

„Jeder kennt jemanden dort“, sagt in Varel Farideh Bahmani über dieses Video.

Moshiri, 55 Jahre alt, ist eigentlich Schriftsteller; als Teenager war er Chefredakteur einer Schülerzeitung in Teheran und musste aus dem Iran fliehen. Heute ist er Transportunternehmer und so etwas wie die Stimme der iranischen Opposition in Deutschland. Er sagt: Es waren irakische Soldaten, die im Auftrag des iranischen Regimes 52 Oppositionelle ermordeten und sieben Geiseln mitnahmen. Al-Maliki, der irakische Präsident, sei der verlängerte Arm der Regierung in Teheran, „Ajatollah Chamenei, das iranische Staatsoberhaupt, ist sein religiöser Führer“.

Morgens um 5 Uhr geschah der Angriff, 45 Minuten später klingelte bei Moshiri in Deutschland das Telefon. Noch am Abend des 1. Septembers traten 23 Exil-Iraner in Berlin in den Hungerstreik.

Im Hungerstreik

Dezemberkälte am Brandenburger Tor, „Tag 91“ steht auf einer großen Klapptafel, die Hungerstreikenden haben sich in Decken gehüllt. Ein Platz ist leer heute, eine Frau musste ins Krankenhaus. Lautsprecher spielen persische Lieder, hinten steht Farideh Bahmani und schwenkt ihre Flagge. Jedes Wochenende fährt die 52-Jährige von Varel nach Berlin, „ich muss doch auch was tun“, sagt sie. Mithungern kann sie ebenso wenig wie Moshiri, der Transportunternehmer. Sie hat doch ihre Patienten, „20, 25 Leute jeden Tag“.

„Bitte passen Sie auf sich auf“, warnt jemand von der Rednertribüne. Es ist Otto Bernhardt, der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete. Er überbringt heute Grüße des „Deutschen Solidaritätskomitees für einen freien Iran“, den Hungerstreikenden überreicht er Rosen. Dem Komitee gehören Politiker aus allen Parteien an, darunter viele ehemalige: Gerhart Baum, Horst Teltschik, Rita Süßmuth. Bernhardt ist der Vorsitzende des Komitees.

Ein Hungerstreikender aus Köln, 53 Jahre alt, zwei Doktortitel, Familienvater, schält sich mühsam aus seiner Decke, zwei Männer stützen ihn. „Unser Leben bedeutet gar nichts“, sagt er, „hier geht es um mehr.“ Er hat Freunde und Verwandte in „Camp Liberty“, wo mehr als 3000 Exil-Iraner unter schwierigen Verhältnissen leben, wo jetzt auch die Überlebenden aus „Camp Ashraf“ sind, „wo wir täglich neue Angriffe befürchten“, wie der Mann sagt. Er will weiterhungern, bis die Welt endlich Anteil nimmt.

Aber die Konkurrenz um Aufmerksamkeit ist groß am Brandenburger Tor. Ein Mann trägt Plakate herum, „Energiewende jetzt“ steht darauf. Hinter der Rednertribüne feiern Berliner das jüdische Lichterfest, vorn rollt eine Stretchlimousine vorbei, aus den offenen Autofenstern dröhnt Hardrock, „Thunderstruck“ von AC/DC. Farideh Bahmani senkt die Flagge.

Aber ist im Iran nicht vieles besser inzwischen? Ist nicht der grobe Präsident Ahmadinedschad endlich weg, abgelöst durch den freundlichen Hassan Rohani? Gibt es nicht sogar einen Atomvertrag mit dem Iran? „Freust Du Dich nicht darüber?“, haben die Patienten Farideh Bahmani in ihrer Vareler Physiotherapiepraxis gefragt.

Bahmani lächelt: „Jetzt fragen sie das nicht mehr.“

Wolf im Schafspelz

Ein Abend in Varel, die Patienten sind weg, Farideh Bahmani sitzt ein bisschen müde in einem Behandlungsraum, vor ihr dampft persischer Tee. Bahmani ist bekannt und beliebt in der Stadt, jeden Morgen öffnet sie um 8 Uhr ihre Praxis, oft arbeitet sie bis 21Uhr. Sie ist jetzt so lange in Deutschland, dass sie Weltpolitik in deutschen Sprichwörtern erklären kann. „Rohani“, sagt sie, „ist ein Wolf im Schafspelz.“ Und: „Der Fisch stinkt vom Kopf her. Rohani war auch vor seiner Wahl schon ein Mann des Systems.“

Bahmani war als junges Mädchen dabei, als 1979 der Schah von Persien stürzte. Sie war dabei, als dessen Nachfolger Ajatollah Khomeini 1981 die Volksmudschaheddin verbot. Sie floh ins Camp Ashraf. Hat sie Familie? „Ja“, sagt sie und lächelt. Wo hat sie studiert? Sie lächelt, mehr Persönliches mag sie nicht erzählen, „das ist gefährlich für meine Familie im Iran“. Irgendwann kam sie nach Deutschland und wurde Physiotherapeutin.

Hunderte Hinrichtungen

Aber was kann eine Physiotherapeutin aus Varel, die nachts vor Heimweh oft nicht schlafen kann, für ihre Familie im Iran tun?

„Ich bin die Stimme für die vielen Gefangenen im Iran“, sagt sie. Sie steht am Wochenende am Brandenburger Tor. Sie spendet Geld, den größten Teil ihrer Praxiseinnahmen, an exiliranische Einrichtungen. Sie warnt ihre Patienten vor Rohani und seiner Politik: „Dieses Regime ist noch gefährlicher als das alte, es ist gefährlich für die ganze Welt.“

In Berlin hat Mohammad Moshiri wie immer aktuelle Zahlen auf seinem Computer. „Seit Rohani Präsident ist“, rechnet er vor, „gab es 417 Hinrichtungen im Iran.“ Rohani ist seit August 2013 Präsident. Vier Wochen nach seiner Ernennung kam es zum Angriff auf „Camp Ashraf“.

Otto Bernhardt, der CDU-Politiker, sagt: „Der Iran ist das Land auf der Welt mit den meisten vollstreckten Todesurteilen – bezogen auf die Bevölkerungszahl. Mehr noch als China.“

Noch einmal gefragt: Was können die Iraner in Deutschland, was können Hungerstreikende dagegen tun?

Moshiri sagt: „Es geht um Menschenrechte.“ Er fordert, dass sich die Bundesregierung für die Befreiung der sieben Geiseln aus „Camp Ashraf“ einsetzt. Dass sie mehr Flüchtlinge aus „Camp Liberty“ aufnimmt. Und vor allem: dass sie Rohani und seiner Regierung nicht vertraut.

Aber er sieht nicht nur Deutschland in der Pflicht. Nicht zufällig sitzen die Hungerstreikenden am Brandenburger Tor, gleich nebenan liegt die amerikanische Botschaft. Als die USA 2003 den Irak besetzten, entwaffneten sie die Volksmudschaheddin in „Camp Ashraf“ und stellten sie unter den Schutz der Genfer Konventionen. „Die USA haben die Sicherheit dieser Menschen garantiert“, sagt Mohammad Moshiri. „Aber seit die Amerikaner 2009 Bagdad verlassen hatten, beschützt sie keiner mehr.“

„Ich kann helfen“

In ihrer Praxis in Varel hat Farideh Bahmani den Tee kalt werden lassen. Sie liebt Deutschland, sagt sie, sie liebt ihre Arbeit. Aber zurück will sie trotzdem? „Aber natürlich!“, ruft sie: Die Berge, die Wüste, die Sonnenuntergänge, „ich wünschte, ich könnte es Ihnen zeigen“. Aber vor allem: „Die brauchen mich dort doch! Ich habe in Deutschland die Freiheit gelernt, ich muss da aufbauen helfen.“ Sie lächelt, „bald, wenn das Regime gefallen ist.“

E

 Nach 108 Tagen haben die Demonstranten den Hungerstreik zu Weihnachten beendet, immer mehr Teilnehmer mussten in Kliniken eingeliefert werden. Ihre Proteste setzen sie mit Mahnwachen fort.

 

Der Iran

Der Iran (Persien) ist eine Islamische Republik in Vorderasien. Die Hauptstadt des Iran ist Teheran, Nachbarländer sind unter anderem Türkei, Afghanistan und Irak. Der Iran gehört mit mehr als 75 Millionen Einwohnern und einer Fläche von 1,64 Millionen Quadratkilometern zu den größten Staaten der Welt. Der Iran ist reich an Bodenschätzen, u.a. an Öl.

Unter Schah Mohammad Reza Pahlavi war der Iran eine Monarchie. 1979 kam es dann zur Islamischen Revolution: Der Schah wurde gestürzt, Ajatollah Ruholla Khomeini wurde iranisches Staatsoberhaupt.

An der Spitze des Landes stehen heute Staatspräsident Hassan Rohani (der im Sommer 2013 dem aggressiven Mahmud Ahmadinedschad nachfolgte). Staatsoberhaupt ist als Oberster Rechtsgelehrter Ajatollah Ali Chamenei.

 

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