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verheugen

Artikel aus der Stuttgarter Nachrichten
vom Samstag, den 25. Februar 2012,
Seite Nr. 5

„Es droht eine menschliche Tragödie“

Günter Verheugen appelliert an die Bundesregierung, die iranischen Widerstandskämpfer in Deutschland aufzunehmen

3300 Oppositionelle gegen das Mullah-Regime in Teheran leben seit Jahren in einem Camp im benachbarten Irak. Nun droht ihnen die Deportation in den Iran, Todesstrafe und Kerkerhaft.

Norbert Wallet aus Berlin


BERLIN - Die Zukunft der iranischen Volksmudschaheddin in Irak ist eines der größten ungelösten Probleme, die die US-Amerikaner nach ihrem Abzug hinterlassen haben. Der frühere EU-Kommissar Günter Verheugen warnt vor einer menschlichen Katastrophe.().


Herr Verheugen, droht im Camp Ashraf eine menschliche Tragödie?

Ja. Die Gefahr ist nicht abgewendet. Die Betroffenen sollen in ein Lager in der Nähe von Bagdad gebracht werden, das in keiner Weise grundlegenden humanitären Standards genügt. Sie hätten dort keine Bewegungsfreiheit und wären vollkommen unter Kontrolle der irakischen Polizei und der Streitkräfte. Die irakische Regierung, die enge Beziehungen zum Mullah-Regime in Teheran unterhält, hat bekanntlich ein Interesse daran, sich dieses Problem vom Hals zu schaffen. Im vergangenen Jahr hatte Iraks Regierung Camp Ashraf schon vom Militär angreifen lassen. Es gab 34 Tote und mehrere Hundert Verletzte.


Was droht den Bewohnern im Falle einer Abschiebung in den Iran?

In vielen Fällen die Todesstrafe oder das Verschwinden in iranischen Kerkern, was beinah dasselbe ist.


In der Propaganda des Iran werden die Bewohner als Terroristen dargestellt.

Dieser Vorwurf ist längst widerlegt. Der Chef des FBI, der seinerzeit zuständig war, als die Mudschaheddin in den USA auf die Terrorliste kamen, erklärt heute öffentlich, dass dies damals eine rein politische Entscheidung war und es nicht die geringsten Anhaltspunkte für terroristische Aktivitäten gab. Die gibt es bis heute nicht. Die Bewohner sind schon vor Jahren von den Amerikanern entwaffnet worden. Sie haben übrigens früher intensiv mit den USA zusammengearbeitet. Von ihnen stammen die Informationen über das iranische Atomprogramm. Der Terror-Vorwurf ist unbegründet, wird aber gerne von europäischen Regierungen als Vorwand benutzt, um sich davor zu drücken, diese Menschen aufzunehmen.


Welche Rolle spielen die USA?

Eine ganz und gar undurchsichtige Rolle. Sie hatten mit den Bewohnern von Camp Ashraf zusammengearbeitet, sie hatten ihnen auch eine Sicherheitsgarantie gegeben. Aber nach ihrem Abzug aus dem Irak entstand ein Machtvakuum. Die USA haben einfach die Verantwortung für die weitere Sicherheit der Bewohner an den Irak übergeben. Dessen Regierung steht aber unter dem Einfluss des Iran. Die USA sind bis heute verantwortlich dafür,dass es so schwer ist, aufnahmewillige Staaten zu finden.


Erschweren die Spannungen wegen des iranischen Atomprogramms die Situation?

Man könnte annehmen, die weltweite Kritik am Iran führte dazu, dass der demokratische Widerstand gegen das Mullah-Regime stärkeres Gehör fände. Leider ist das nicht der Fall.


Welche Rolle sollte Deutschland Ihrer Auffassung nach spielen?

Ich schließe mich hier schlicht an das an, was bereits Horst Teltschik, der ehemalige Sicherheitsberater von Helmut Kohl, einst in Bezug auf die Bootsflüchtlinge aus Vietnam gesagt hat: Wenn man helfen will, kann man helfen. Wenn die Bundesrepublik diese Menschen aufnehmen will, kann sie es. Ich finde, sie ist sogar verpflichtet dazu. Wir haben nicht das geringste Problem mit der Integration von Iranern in Deutschland. Es handelt sich um gut ausgebildete Menschen. Sie wären eine Bereicherung für unsere Gesellschaft, sicher keine Last.


Sie wollen also mehr als nur die Aufnahme der Gruppe, die bereits über enge Verbindungen zu Deutschland verfügt – das wären etwa 280.

Die Zahlen sind ja überschaubar. 3300 Menschen leben im Camp, davon 1000 Frauen. Deutschland sollte ein beträchtliches Kontingent aufnehmen. Das wären wir unseren eigenen Werten und Standards schuldig. Das Innenministerium ist mir da zu zögerlich. Ich erkenne hoch an, dass die Bundeskanzlerin bei der irakischen Regierung interveniert hat, damit das Ultimatum zur Räumung des Camps verlängert wurde. Aber in der Frage der Aufnahme sehe ich leider keine Fortschritte.

 

Hintergrund

Iranische Opposition.

·         Seit über 20 Jahren leben iranische Dissidenten in der Siedlung Camp Ashraf im irakischen Exil. Die meisten sind Mitglieder der größten iranischen Oppositionsgruppe, der Volksmudschaheddin. Zurzeit leben dort 3300 Menschen, darunter 1000 Frauen. Etwa 300 haben zuvor als anerkannte Flüchtlinge in Deutschland gelebt. Bis 2009 standen sie unter dem Schutz der US-Truppen im Irak. Nach deren Abzug und der Etablierung einer Teheran-freundlichen Regierung in Bagdad sind sie akut gefährdet. Die Regierung will das Camp auflösen und sie in der Nähe von Bagdad unter Kontrolle der Regierung in einem ehemaligen Militärkomplex unterbringen. Die Umsiedlungsaktion soll Ende April abgeschlossen sein. Die Bewohner von Ashraf fürchten ihre Abschiebung in den Iran, zumal dann, wenn sie sich gegen die Umsiedlung in das Militärlager sperren.

  • In Deutschland leben rund 900 Exil-Iraner, die sich dem aktiven Widerstand gegen das Teheraner Mullah-Regime zugehörig fühlen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in einem Telefonat mit dem irakischen Staatspräsidenten Nuri al-Maliki persönlich darauf hingewirkt, dass das Ultimatum zur Räumung von Camp Ashraf verlängert wird.Der Leiter der UN-Mission im Irak ist der Deutsche Martin Kobler. Er hat bereits im Januar darauf hingewiesen, dass einige Bewohner enge Beziehungen zu Deutschland haben. Kobler: „Ich selbst habe dort Menschen getroffen, die akzentfreies Deutsch sprechen. Sie sind dort zur Schule gegangen oder haben in Deutschland studiert.“ (nwa)

Zur Person

Günter Verheugen

·         1944 geboren in Bad Kreuz

·         1963-1965 Zeitungsvolontariat

·         1965-1969 Studium der Geschichte, Soziologie, Politik

·         1978 Generalsekretär der FDP

·         1983-1999 SPD-Bundestagsabgeordneter nach FDP-Austritt

·         1999-2010 Mitglied der EU-Kommission, in der er zunächst für eine Amtszeit die Zuständigkeit für die Erweiterung innehatte. Von 2004 bis 2010 Kommissar für Industrie und Unternehmenspolitik der Kommission Barroso. (StN)

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