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Montag, 18. April 2011
Angriff auf Camp Ashraf
Wo war der Westen?
Die Iranerin Saba Haftbaradaran kam bei den Angriffen ums Leben (Foto: PresseNWRI)
Die Iranerin Saba Haftbaradaran hätte ein gutes Leben haben können. Ihr Mutter brachte sie im iranischen Evin-Gefängnis, das für seine politischen Häftlinge bekannt ist, zur Welt. Das erste was Saba von dieser Welt erblickt – von ihrer Welt erblickte – waren die kalten Stäbe der Unterdrückung eines totalitären Staates. Mit zwei Jahren flüchtete sie mit ihrer Mutter über die Berge ins Ausland und landete im Berliner-Exil. Hier besuchte Saba gemeinsam mit ihrer Schwester die Schule, nahm Musikunterricht und fand gefallen an der Harmonie der Klänge. „Meine Tochter Saba wollte gerne Musik machen“, sagt ihre Mutter Kobra Makwand. “Als sie zwölf Jahre alt war, hat sie schon ein Stück klassische Musik in Erinnerung an den Iran komponiert.” Wie gesagt, Saba Haftbaradaran hätte ein gutes Leben haben können, doch sie entschied sich dagegen. Kurz vor Kriegsausbruch 2003 reiste sie in das Flüchtlingscamp Ashraf im irakischen Exil. Ihre Schwester kam mit ihr. “Meine Töchter sagten, obwohl wir hier in Freiheit leben, sind wir immer mit einem Dilemma konfrontiert: Was im Iran passiert”, so Kobra.
Schutzlos ausgeliefert
Das Flüchtlingslager Camp Ashraf im irakischen Exil ist seit langem ein Dorn im Auge der Irakischen Regierung und ein Makel in der neuen Iran-Irak Beziehung. Bisweilen konnte sich das Camp im Schutze der amerikanischen Armee wähnen, die zwar ohnehin recht spärlich ausfiel, jedoch den Menschen im Camp noch eine gewisse Restsicherheit gab. Vergangen Woche besuchte der amerikanische Außenminister Gates den irakischen Ministerpräsident Nuri al-Maliki und zog, trotz Bitten seitens der Bewohner Camp Ashrafs, auch die letzten Soldaten ab. Der Abzug war Ursache eines bilateralen Abkommens, das die Souveränität des Irak seitens der USA gewährleisten soll. “Gates waren also die Hände gebunden, die USA hatten sich in eine selbst verursachte Situation gebracht, aus der es völkerrechtlich unmöglich war, einzuschreiten”, so Christian Zimmermann, Leiter des Berliner Büros der Gesellschaft für Menschenrechte. Die Iraker nutzen die die Gelegenheit und stürmten das Camp.
“Wer das Recht aussperrt, setzt auf Gewalt”
Die Bewohner mussten nach Ende des Irakkriegs all ihre Waffen abgeben und waren der irakischen Armee daher schutzlos ausgeliefert. Schätzungsweise 35 Menschen kamen bei dem Angriff ums Leben, mehrere Dutzend wurden schwer verletzt. “Angriffe auf unbewaffnete Bewohner, unterlassene Hilfeleistung und Herstellung der Unbewohnbarkeit sind völkerrechtswidrig”, so Christian Zimmermann.
Bereits im Juli 2009 wurde das Camp angegriffen. Die Vorgänge haben dazu geführt, dass ein spanisches Gericht gegen die Verletzungen des Völkerstrafrechts gegen den damaligen Einsatzleitenden General ermittelt. Das ist im Irak bekannt. “Maliki ist ein hoch krimineller Wiederholungstäter”, so Bernd Häusler, Vizepräsident und Menschenrechtssprecher der Berliner Anwaltskammer. “Wer das Recht aussperrt, setzt auf Gewalt.”
Ungewisse Zukunft
Die Verletzten wurden nach Tagen des Wartens nun in ein US Krankenhaus gebracht. Doch das irakische Militär belagert immer noch die iranische Enklave. Al-Maleki, selbst Schiit, floh zu Zeiten von Saddam Hussein in den Iran. “Er war also schon immer ein Freund des iranischen Mullahregimes”, erzählt Christian Zimmermann. Die Flüchtlinge kämpften an der Seite Saddam Hussein im Iran-Irak Krieg gegen den Iran. Es ist also kaum anzunehmen, dass al-Maliki, seine Meinung ändern wird. “Eine Auslagerung der Flüchtlinge ist sehr schwierig, da es bisher kein Land gibt, was die Gruppe aufnehmen will”, so Christian Zimmermann. Eigentlich gäbe es dafür auch kein Grund, da von Ashraf niemals eine Gefahr für die Iraker ausgegangen sei.
Blanker Zynismus
Der Westen verhält sich, wenn es um die Exilopposition geht alles andere als resolut. Geht es um den Schutz Camp Ashraf wird das gleichgesetzt, mit der Unterstützung der MEK, die viele immer noch gerne als terroristische Bewegung abtun. Jedoch ist die MEK zumindest in Europa nicht mehr als terroristische Vereinigung gelistet. Die USA hingegen führt die Oppositionsbewegung, deren Vorsitzende Maryam Rajavi ist, immer noch ein radikale Organisation. “Wie der Blutige Freitag des Camp Ashrafs gezeigt hat, ist die Einstufung der MEK als terroristische Organisation ein Blankoscheck für die Tötung der Mitglieder des iranischen Widerstandes”, so Maryam Rajavi.
Der Westen kann natürlich über diplomatische Kanäle Druck auf Al-Maliki ausüben. “Die Deutsche Regierung ist hierzu angesichts der neuen guten Geschäfte mit dem Irak nicht willens”, so Zimmermann. “Blanker Zynismus, zumal man immer wieder von der Wahrung der Menschenrechte spricht.” Das der Irak aber zu einem Satellitenstaat des Iran werde, könne eigentlich nicht im Sinne einer Stabilisierung im Nahen Osten liegen. Auch die Europäische Union reagiert nur halbherzig auf die Geschehnisse. “Die Situation des Lagers Ashraf enthält Herausforderungen auf die nicht leicht zu antworten ist”, so Catherine Ashton Hohe Repräsentantin der EU. Die EU fordere daher alle beteiligten Seiten zur Zurückhaltung auf, damit eine friedliche und nachhaltige Lösung der Situation gefunden werden könnte, so Ashton.
Erst am 15. März forderten zahlreiche Politiker gemeinsam mit dem Nationalen Widerstandsrat mehr Schutz für Camp Ashraf. Doch keiner schien es wahrnehmen zu wollen. Wo war der Deutsche Frauenrat? Wo waren die Menschenrechtsorganisationen? Wo war die Presse?
Auch Saba wurde bei dem Angriff schwer verletzt. Weil es an medizinischen Mitteln und Möglichkeiten gefehlt hat, ist sie kurz darauf gestorben. Kobra sah ihre Töchter nie wieder. Trotz aller Bemühung bekam sie kein Visum, um ihre Töchter zu besuchen. Aufgrund der aktuellen Lage, wird es ihr nicht möglich sein, die Beerdigung ihrer Tochter zu besuchen. Sie ein letztes Mal zu sehen. Das Einzige was bleibt ist die Frage: Wo wart ihr?